Hintergrundtext

Jüdisches

Was ist das Judentum?

Das Judentum ist eine monotheistische Religion und bezieht sich genau wie das Christentum und der Islam auf Abraham als Stammvater. Monotheismus (deutsch: Eingottglaube) bezeichnet den Glauben, dass es nur einen, allumfassenden Gott gibt. Die Grundlagen des Judentums sind in der Bibel und den heiligen Schriften festgehalten.

Heilige Schriften und Gesetze

Die Bibel des Judentums nennt man Tanach. Der Tanach besteht aus den Teilen Thora, Propheten und den sogenannten Schriften. Die meisten Elemente des Tanachs sind auch Bestandteile der christlichen Bibel und werden in anderer Anordnung dort als Altes Testament bezeichnet. Der erste Teil, die Thora, wurde den Jüdinnen:Juden laut Überlieferung durch den Propheten Moses gegeben. Der Tanach bildet zwar das Fundament der Religion – um das Judentum verstehen zu können, muss man aber auch andere religiösen Quellen in den Blick nehmen. Da Diskussionen um die korrekte Interpretation der jüdischen Schriften zentrale Bedeutung im Judentum haben, wurden im Laufe der Jahrhunderte immer mehr Kommentare von wichtigen Gelehrten im sogenannten Talmud verschriftlicht. Im Talmud geht es vor allem um die religiösen Gebote. Man findet dort aber auch erbauliche Geschichten und jüdische Legenden. 12 dicke Bände umfasst der Talmud in der deutschen Übersetzung. Das Prinzip des religiösen Debattierens und Diskutierens wird auch Machloket (deutsch: Streitbarkeit) genannt. Doch auch Streiten will gelernt sein: Um sich angemessen mit der Rechtsphilosophie des Judentums auseinanderzusetzen, gibt es sogenannte Talmudschulen, in denen gelernt und debattiert wird. Die im Talmud diskutierten religiösen Gesetze (Mitzwoth) beziehen sich auf fast jeden Aspekt des Lebens: Glauben und Spiritualität, Zwischenmenschliches und Sozialgefüge, aber auch Essen und Trinken. Ob sich Jüdinnen:Juden an die religiösen Gesetze halten oder nicht, ist eine individuelle Angelegenheit. Doch je strenger die eigene Glaubensauslegung, desto wichtiger ist es, sich an die Mitzwoth zu halten. Bei Lebensgefahr dürfen allerdings fast alle religiösen Regeln ignoriert werden (außer z. B. Mord oder Götzendienst). 

Seit wann gibt es das Judentum?

Das Judentum entstand vor mehr als 3000 Jahren in der Region zwischen Ägypten, Syrien und der arabischen Halbinsel. Laut jüdischer Überlieferung schloss der Stammvater Abraham einen Bund mit Gott, der ihm und seinen Nachkommen ein gelobtes Land versprach. So entstand das „jüdische Volk“, das eine religiös begründete Beziehung mit dem Land Kanaan – später auch Israel genannt – besaß. Rund 1.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung existierten dort sogar verschiedene jüdische Königreiche und in Jerusalem wurde der jüdische Tempel erbaut. Doch die Region war von Krieg und Instabilität geprägt, sodass die jüdischen Königreiche erobert und der jüdische Tempel 70 n. Chr. durch die Römer zerstört wurde. 

Diaspora – Jüdisches Leben im Exil?

Für die jüdische Bevölkerung bedeutete die endgültige Zerstörung des Tempels Vertreibung und Exil. Dieses Leben – außerhalb des von Gott versprochenen Landes – wird vielfach auch als jüdische Diaspora (deutsch: Zerstreuung) bezeichnet. In der Diaspora entwickelten sich viele unterschiedliche jüdische Gemeinden mit eigenen religiösen Traditionen und Kulturen.

Jerusalem, der Ort, an dem mit der sogenannten Klagemauer noch die Überreste des Tempels erhalten sind, blieb jedoch immer spirituelles und religiöses Zentrum und beherbergte immer eine jüdische Bevölkerung. Nach der Shoah wird 1948 mit Zustimmung der UN-Vollversammlung der jüdische Staat Israel gegründet. Er hat das Selbstverständnis, ein Schutzraum für Jüdinnen:Juden weltweit zu sein. Er ist der einzige Staat auf der Welt, in dem Jüdinnen:Juden die Bevölkerungsmehrheit stellen.

Strömungen im Judentum

Wie bei fast allen Religionen gibt es nicht nur das eine Judentum, sondern ganz viele unterschiedliche Strömungen. Sie unterscheiden sich durch ihre Entstehungsgeschichte und durch unterschiedliche Auslegungen und Traditionen. Manchmal sammelten sich genug Anhänger:innen um eine religiöse Person, um eine eigene Bewegung zu bilden. Aber auch aus religionsphilosophischen Überlegungen etablierten sich im Laufe der Zeit Bewegungen, die das Judentum ändern oder anders gestalten wollten. Die drei größten Strömungen heißen Progressiv, Konservativ und Orthodox.

Beim progressiven bzw. liberalen Judentum handelt es sich um einen etwas ungenauen Sammelbegriff. Darunter fällt z. B. auch das in Deutschland des 19. Jahrhunderts entstandene Reformjudentum, dass viele bis dahin gängige jüdische Traditionen reformieren wollte. Manche progressive/liberale Strömungen zeichnet aus, dass sie entgegen dem klassischen Religionsverständnis die Schriften und das Wesen Gottes anders interpretieren. Andere dagegen bleiben im Kern bei den jüdischen Glaubensgrundsätzen, interpretieren religiöse Vorschriften und Traditionen aber gemäß moderner Maßstäbe. So gibt es z. B. auch Rabbinerinnen und in einigen Gemeinden können Jüdinnen:Juden ihre nichtjüdischen Partner:innen in einer religiösen Zeremonie heiraten. 

Als konservatives Judentum versteht man jene Gemeinden, die darauf bedacht sind, die Traditionen zu bewahren. Dabei erkennen sie dennoch gewisse Veränderungen der modernen Welt als notwendig an. Auch wenn Vertreter:innen des konservativen Judentums sich nicht zwangsläufig streng an alle religiösen Gesetze halten, so wird in den allermeisten konservativen Gemeinden keine religiöse Hochzeit zwischen jüdischen und nichtjüdischen Partner:innen gefeiert werden oder eine Frau den Gottesdienst abhalten.

Orthodox oder sogar ultra-orthodox sind Bezeichnungen für Jüdinnen:Juden, die nach einer sehr strengen Glaubenspraxis und Gesetzesauslegung leben. Jedoch sind diese Bezeichnungen sehr ungenau, exakter ist der hebräische Begriff Haredi. In der Regel kann man diese Jüdinnen:Juden sogar an der Kleidung erkennen: Männer tragen schwarze Anzüge und verheiratete Frauen Perücken oder Kopftücher. Daneben gibt es auch das modern-orthodoxe Judentum, das versucht zwischen einer sehr strengen Glaubenspraxis und der Moderne eine Brücke zu schlagen. Unter Anhängern dieser Strömung wird man schwarze Anzüge eher beim Bewerbungsgespräch oder einer Hochzeit finden. 

Wer ist jüdisch?

Die Frage, wann jemand jüdisch ist, wird auch innerhalb der jüdischen Communities kontrovers diskutiert. Nach religiösem Gesetz gilt man als jüdisch, wenn man von einer jüdischen Mutter geboren wurde. Daher spricht die hebräische Bibel auch vom „jüdischen Volk“ und nicht nur von Anhänger:innen des jüdischen Glaubens. Dieser sehr entschiedenen  Definition zu folgen, ist durchaus verbreitet und wird vor allem in orthodoxen und konservativen Gemeinden vertreten. Liberale Gemeinden akzeptieren häufig auch sogenannte Vaterjuden (der Vater ist jüdisch, die Mutter nicht), wenn die Kinder im jüdischen Glauben erzogen wurden. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit eines religiösen Übertritts zum Judentum (hebräisch: Giur). Dieser muss von akzeptierten Rabbiner:innen begleitet und geprüft werden. Wichtig ist: Jüdischsein und das Judentum werden von vielen Jüdinnen:Juden nicht nur als eine Frage des Glaubens betrachtet. Es gibt auch viele historische, familiäre und kulturelle Aspekte, die dafür sorgen können, dass sich Menschen als jüdisch verstehen – ohne an Gott zu glauben oder jüdische Gebetshäuser (Synagogen) zu besuchen. 

Wie viele Jüdinnen:Juden leben in Deutschland?

Heute leben zwischen 118.000 und 225.000 Jüdinnen:Juden in Deutschland – abhängig von der Definition von Jüdischsein. Das entspricht weniger als einem Prozent der Gesamtbevölkerung. Die jüdische Minderheit in Deutschland blickt auf eine lange Geschichte zurück. Nachdem nach der Shoah nur wenig Überlebende in Deutschland blieben oder zurückkehrten, waren die jüdischen Gemeinden lange Zeit sehr klein. Erst mit der Einwanderung von sogenannten jüdischen Kontingentflüchtlingen aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion in den 1990er-Jahren wuchsen die jüdischen Gemeinden wieder an, die größten befinden sich in München, Berlin und Frankfurt. Bundesweit gibt es über hundert Gemeinden, in die viele, aber längst nicht alle Jüdinnen:Juden in Deutschland eingebunden sind Der Altersdurchschnitt der Gemeindemitglieder ist relativ hoch. Die meisten dieser Gemeinden werden durch den Zentralrat der Juden in Deutschland vertreten, der dem konservativen bzw. orthodoxen Judentum nahesteht. Dies sind heute auch die am stärksten vertretenen Strömungen in Deutschland.

Jüdische Kultureinrichtungen, Vereine, Schulen und Jugendzentren bereichern das jüdische Leben in Deutschland mit eigenen Literatur-, Musik-, Film- und Theaterveranstaltungen. Außerdem gibt es jüdische Museen und eine wachsende Zahl von Jüdinnen:Juden, die ihr Jüdischsein selbstbewusst nach außen vertreten – im Internet und im realen Leben. Darüber hinaus wächst die Anzahl von jüdischen Israelis, die ihren Lebensmittelpunkt nach Deutschland verlegt haben. Viele von ihnen sind allerdings nicht in jüdischen Gemeinden organisiert.

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