Hintergrundtext

Antisemitismus und Israel

Was ist israelbezogener Antisemitismus?

Israelbezogener Antisemitismus ist eine Form der Judenfeindschaft, die sich in Aussagen über Israel ausdrückt. Dann heißt es nicht mehr: „Die Juden sind so und so“, sondern: „Israel ist so und so“. Antisemitismus wird also über einen Umweg geäußert.

Warum ist Israel Ziel von Antisemitismus?

Israel funktioniert als Ziel für antisemitischen Hass, weil es der einzige Staat der Welt mit einer jüdischen Bevölkerungsmehrheit und einem jüdischen Selbstverständnis ist. Und wer antisemitisch denkt, hasst alles Jüdische. 

Gleichzeitig ist es schwerer, Antisemitismus zu erkennen, wenn er sich über den Umweg Israel äußert. Deshalb haben viele Menschen weniger Hemmungen, israelbezogenen Antisemitismus zu äußern. Denn nicht jeder Mensch, der antisemitisch denkt, will ganz offen als Antisemit:in gelten.

Welche Rolle spielt der „Nahost-Konflikt“ beim israelbezogenen Antisemitismus?

Um das Gebiet, in dem heute Israel und die palästinensischen Gebiete liegen, gibt es seit sehr langer Zeit Konflikte. Diese werden auch mit Waffengewalt ausgetragen. Gängige Bezeichnungen für diese Auseinandersetzungen sind Nahost-Konflikt oder israelisch-palästinensischer Konflikt. Es ist ein bewaffneter Konflikt mit Leid und Todesopfern auf beiden Seiten, da gibt es viele nachvollziehbare Gründe für Empörung und für eine Kritik am Vorgehen aller Beteiligten. Der reale Konflikt kann aber auch genutzt werden, um antisemitische Aussagen als Kritik an israelischer Politik zu tarnen.

Warum behaupten viele: „Man darf Israel ja gar nicht kritisieren“?

Israelbezogener Antisemitismus ist sehr weit verbreitet. Wenn man aber Menschen auf ihre antisemitischen Äußerungen zu Israel anspricht, reagieren viele so: „Man darf in Deutschland ja gar nichts mehr gegen Israel sagen, ohne gleich Antisemit:in genannt zu werden!“ Das stimmt nicht, aber man kann damit sehr einfach jede Kritik abwehren. Es ist eine Taktik, um sich aus der Verantwortung zu ziehen und von Antisemitismus abzulenken.

Wie erkenne ich Antisemitismus beim Thema Israel?

Wie erkennt man aber, ob eine Aussage über Israel antisemitisch ist? Nicht in jedem Einzelfall fällt eine klare Einordnung leicht. Es gibt aber eine Reihe von Hinweisen und ganz eindeutigen Anzeichen: 

  • Dämonisierung/Verteufelung von Israelis oder dem israelischen Staat
  • Gleichsetzung Israels mit Nazi-Deutschland 
  • Verwendung antisemitischer Vorurteile und Mythen
  • Verbreitung von Verschwörungstheorien über Israel 
  • Verwendung verschiedener Maßstäbe
  • Vernichtungs- und Mordfantasien gegenüber Israel und Israelis
  • Gleichsetzung von allen Jüdinnen:Juden und dem Staat Israel

Merkmal: Dämonisierung/Verteufelung

Wie jeder gewaltsame Konflikt verursacht auch der israelisch-palästinensische viel menschliches Leid, und zwar auf beiden Seiten. Auffällig ist, dass der israelischen Seite immer wieder vorgeworfen wird, sie würde gerade darauf abzielen: Es ginge ihr einzig und allein um die Unterdrückung und Ermordung unschuldiger Menschen. Der israelische Staat und der jüdische Teil der Israelis seien von Grund auf böse und blutrünstig, also geradezu dämonisch. Seit Jahrhunderten gehört es zum Kern der Judenfeindschaft, Jüdinnen:Juden als bösartig und teuflisch zu beschimpfen. Wenn der israelischen Seite pure Bosheit unterstellt wird, dann knüpft das an diese alte antisemitische Tradition an. 

Merkmal: Gleichsetzung Israels mit Nazi-Deutschland

Die Nazis und ihre Verbrechen gelten als Inbegriff des Bösen. Manche Menschen vergleichen Israel mit Nazi-Deutschland. Zum Beispiel indem sie israelische Flaggen mit Hakenkreuzen darstellen. Wer aber behauptet, der Staat Israel sei wie Nazi-Deutschland, vertritt damit keine schlichte Meinung: Eine solche Behauptung verharmlost die Verbrechen der Nazis. Und sie ist eine Form der Dämonisierung des Staates Israels, indem sie ihm böswillige Menschenverachtung und Mordlust unterstellt. 

In Wirklichkeit ist der israelisch-palästinensische Konflikt ein Streit um Land und Grenzen. Er ist begleitet von Ungerechtigkeiten, wiederkehrender Gewalt und von Leid und unschuldigen Opfern auf beiden Seiten. Anders als in Nazi-Deutschland geht es dabei nicht um eine umfassende Entrechtung und Verfolgung einer Bevölkerungsgruppe oder gar um Völkermord.

Merkmal: Verwendung antisemitischer Mythen

Im Zusammenhang mit Israel werden häufig alte antisemitische Bilder und Lügengeschichten aufgegriffen. So drücken sich in vielen Darstellungen von israelischen Politiker:innen alte rassistische Vorurteile gegen Jüdinnen:Juden aus. Ihre Gesichtszüge werden so verzerrt, dass sie der Vorstellung von „jüdischem Aussehen“ entsprechen. Und auch die Gleichsetzung von Israelis mit Ungeziefer und Tieren greift alte antisemitische Vorurteile auf. 

Im Zusammenhang mit Israel werden auch Mythen der christlichen Judenfeindschaft des Mittelalters wieder aufgewärmt. Früher hatte es geheißen, Jüdinnen:Juden vergiften Brunnen, um die Pest zu verbreiten. Heute hört man das Gerücht, Israelis würden palästinensische Brunnen vergiften. Auch die Parole „Kindermörder Israel“, die auf anti-israelischen Demonstrationen immer wieder zu hören ist, ist ein passendes Beispiel. Sie erinnert an uralte Behauptungen über angebliche Ritualmorde von Jüdinnen:Juden an unschuldigen Kindern. Der Ausdruck „Kindermörder“ unterstellt heute, dass Israelis ganz bewusst auf die Tötung palästinensischer Kinder abzielen würden. So verständlich Wut und Trauer über die zivilen Opfer des Konfliktes sind: Antisemitische Anspielungen sind kein geeigneter Weg sie zu äußern.

Merkmal: Verbreitung von Verschwörungstheorien

Die Fantasievorstellung von einer „jüdischen Weltverschwörung“ gehört zum Kern des Antisemitismus. Seit Jahrhunderten existiert die Lüge eines jüdischen Komplotts: Angeblich steckten Jüdinnen:Juden hinter allem, was schlecht läuft in der Welt. Diese antisemitischen Lügen werden auch auf Israel übertragen: Angeblich würde Israel mit seiner Politik das Weltgeschehen beeinflussen und wäre verantwortlich für Kriege und politische Konflikte auf der ganzen Welt. 

Merkmal: Verwendung verschiedener Maßstäbe

Wenn man zwei gleiche Dinge ganz unterschiedlich beurteilt, dann legt man verschiedene Maßstäbe an. Man spricht dabei auch von einem doppelten Standard. In Bezug auf Israel kann das ein Anzeichen für Antisemitismus sein. Ein Beispiel: Wenn ein anderes Land militärisch auf einen Angriff von außen reagiert, dann wird das als Selbstverteidigung angesehen. Wenn Israel das Gleiche tut, gilt das vielen als ungerechtfertigte Gewalt. Solche unterschiedlichen Maßstäbe werden oft auch direkt an die beteiligten Parteien des Nahost-Konflikts angelegt: Israel wird für militärische Aktionen kritisiert, während arabische oder islamistische Terrorgruppen verschwiegen oder gerechtfertigt werden.

Merkmal: Vernichtungs- und Mordfantasien

Im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt wird oft gefordert: „Der israelische Staat muss zerstört werden“. Diese Vernichtungsfantasie läuft auf eine tödliche Bedrohung für die jüdischen Israelis hinaus. Denn in der Region gibt es einflussreiche islamistische und arabisch-nationalistische Gruppen, die Judenhass befeuern und Mord an Jüdinnen:Juden befürworten. Ohne den Schutz des israelischen Staates wäre das Leben der dort ansässigen Jüdinnen:Juden in ständiger Gefahr. 

Merkmal: Gleichsetzung von allen Jüdinnen:Juden mit dem Staat Israel

Israel ist das einzige Land, in dem Jüdinnen:Juden die Bevölkerungsmehrheit stellen. Ein Großteil der jüdischen Weltbevölkerung aber lebt nicht in Israel. Was haben sie also mit der Politik dort zu tun? Trotzdem erleben Jüdinnen:Juden weltweit dasselbe: Sie werden für die israelische Politik verantwortlich gemacht oder genötigt, zum Konflikt Stellung zu beziehen. Sie erfahren sogar Gewalt und Terror, die mit dem Nahost-Konflikt „gerechtfertigt“ werden. Es ist antisemitisch, alle Jüdinnen:Juden zu einer Gruppe zusammenzufassen und dieser dann noch die Verantwortung für etwas zuzuschieben, obwohl es dafür gar keine Grundlage gibt.

Antisemitismus hinterfragen

Der israelbezogene Antisemitismus gehört heute zu den am weitesten verbreiteten Varianten der Judenfeindschaft. Es ist nicht immer einfach, diese Form des Antisemitismus zu erkennen, weil er sich oft als scheinbar harmlose politische Kritik tarnt. Es kann auch vorkommen, dass jemand sich antisemitisch äußert, ohne sich überhaupt bewusst zu sein, dass das Gesagte antisemitisch ist oder warum. In jedem Fall hilft das Wissen über typische Denkmuster und Argumentationen beim Erkennen von Antisemitismus. Darüber hinaus kann es sich lohnen, auch die eigenen Bilder im Kopf zu hinterfragen und zu prüfen, wo wir selbst durch Vorurteile und Klischees geprägt sind.

nach oben